Rassismus in der Medizin

Disclaimer und Triggerwarnung: Der vorliegende Text behandelt das Thema Rassismus in der Gesundheitsversorgung. Dabei werden auch explizite Beispiele rassistischer Ungleichbehandlung genannt. Der Artikel wurde von einer weißen Person geschrieben und richtet sich vornehmlich an ebenfalls weiß gelesene Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Die Autorin möchte sich explizit davon distanzieren, die Sichtweise eines*einer BIPoC* annehmen zu wollen. Vielmehr ist der Artikel als Aufruf zu verstehen, weiße Menschen für Rassismus in der Medizin zu sensibilisieren und Vorschläge zu unterbreiten, wie man als White Ally an der Seite von BIPoCs* stehen kann. 

“Of all forms of inequity, injustice in healthcare is the most shocking and inhumane.”

– Martin Luther King, Jr., National Convention of the Medical Committee for Human Rights, Chicago (1966)

Ich bin als Krankenpflegepraktikantin auf einer internistischen Station eingeteilt. Ein Patient klingelt, er klagt über starke Schmerzen und hält sich den Rücken. Er spricht nur gebrochen Deutsch, aber es ist klar, dass es ihm nicht gut geht. Als ich daraufhin die Stationsärztin aufsuche und ihr von dem Patienten berichte, stöhnt sie auf und sagt: „Das klingt für mich nach einem klassischen Fall von Morbus mediterraneus.“ Morbus mediterraneus – eine Kunstdiagnose, die inoffiziell an Patient*innen vergeben wird, die mutmaßlich ein Migrationserbe aus dem Mittelmeerraum besitzen. Damit verbunden ist das Vorurteil, dass diese Menschen ihre Beschwerden in übertriebener Form zur Schau stellten und Symptome wie Schmerzen überzeichneten. Die Ärztin meiner Station entschied, dass der Patient noch warten könne. Erst einige Stunden später kam sie zu ihm, mittlerweile war er schweißnass vor Schmerzen. Später mussten ihm die Nierensteine operativ entfernt werden. 

Der Begriff „Morbus mediterraneus“ ist mir seither oft im klinischen Alltag begegnet und ist ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie unser Gesundheitssystem von Vorurteilen gegenüber bestimmten Personengruppen durchzogen ist. Es gibt mittlerweile viele Studien, die den Zusammenhang zwischen ethnischer Herkunft und erhaltener Gesundheitsversorgung untersuchen und immer wieder feststellen, dass Black, Indgenous, People of Color (BIPoCs*) schlechter versorgt werden als weiß gelesene Menschen. Dieses Problem ist multifaktoriell bedingt und nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen, fest steht jedoch, dass immer Rassismen zugrunde liegen.  Zum einen spielt der sogenannte „kulturelle Rassismus“ eine Rolle, also negative rassistische Stereotype, die in westlichen Ländern weit verbreitet sind und häufig durch Medien reproduziert und verstärkt werden. Diese sorgen dafür, dass sich nicht-weiß gelesene Menschen täglich mindestens mit Mikroaggressionen (also alltäglichen Äußerungen, die sich auf Vorurteilen begründen)  konfrontiert sehen. Diese stete Abwertung führt erwiesenermaßen bereits an sich zu einem schlechteren psychischen wie physischen Gesundheitszustand marginalisierter Gruppen. Dann gibt es den „institutionellen Rassismus“, der unter anderem dafür sorgt, dass BIPoCs* aus infrastrukturellen Gründen schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Schließlich ist auch der „interpersonelle Rassismus“ relevant, den Mediziner*innen durch ihre persönlichen Vorurteile gegenüber bestimmten Menschengruppen kultivieren und der eine vertrauensvolle Ärzt*in-Patient*in-Beziehung untergräbt. Die genannten Formen von Rassismus sind allgegenwärtig. Sie sind nicht unabhängig voneinander, sondern als gemeinsames Konstrukt zu verstehen, dessen Untergruppen sich gegenseitig beeinflussen und am Leben erhalten.1

Beim Thema Rassismus in der Medizin geht es nicht nur um bloße Theorien, die praktischen (negativen) Folgen für die Gesundheitsversorgung nicht-weißer Menschen sind gut untersucht und dokumentiert. In den USA beispielsweise ist „Racial Segregation“ weit verbreitet, also das Phänomen, dass Schwarze und weiße Menschen in unterschiedlichen Vierteln wohnen, die unterschiedlich gut an die Infrastruktur der Daseinsvorsorge angebunden sind. Diese Segregation führt zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung von Schwarzen Menschen. So ist sie unter anderem nachweislich assoziiert mit einer späteren Diagnose von Krebserkrankungen und einer geringeren Überlebensrate bei BIPoCs*.2 Die Wohnsituation in den von mehrheitlich Schwarzen Personen bewohnten Vierteln ist häufig prekär, oftmals herrschen Armut, Gewalt und schlechtere hygienische Bedingungen vor. Diese Lebensrealitäten prädisponieren an sich bereits für die Entstehung von Krankheit. Hinzukommt, dass Arztpraxen oder Kliniken oft weit entfernt liegen und der Weg dorthin für viele nicht ohne weiteres möglich ist. Auch in Deutschland ist dieses Problem bekannt. Migrant*innen sind in Deutschland überdurchschnittlich häufig armutsgefährdet, leben aus diesem Grund häufiger in schlechten Wohnverhältnissen und arbeiten mit höherer Wahrscheinlichkeit in gesundheitsgefährdenden Berufen.3 All das führt letztlich zu einem schlechteren physischen wie psychischen Gesundheitszustand, auch völlig ohne das Zutun von Ärzt*innen. 

Doch selbst wenn alle Faktoren, die Ungleichheit zwischen Schwarzen und weißen Menschen erzeugen, wie Wohnverhältnisse, Ansehen, Alter, Versicherungsstatus und Einkommen vergleichbar wären, sind dennoch qualitative Unterschiede in der Gesundheitsversorgung dieser beiden Personengruppen nachweisbar.4,5  Der Grund liegt im strukturellen, institutionalisierten Rassismus, der in Deutschland wie auch im restlichen globalen Norden grassiert.  

„Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, ethnischer Herkunft, Geschlecht, (…), Rasse, (…) zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.“ 

– Auszug aus dem Genfer Gelöbnis

Wäre der strukturelle Rassismus an sich nicht schon Problem genug, so sind es vor allem die daraus abgeleiteten bewussten und unbewussten Stereotype, um die es in diesem Text gehen soll. Sie führen zu einer minderwertigen Behandlung nicht-weiß gelesener Menschen – und zwar in jedem Fachbereich. Eine Studie untersuchte, ob die Qualität verschiedener diagnostischer und therapeutischer Interventionen abhängig vom behandelten Patient*innenkollektiv war. Tatsächlich waren teils erhebliche qualitative Unterschiede zwischen der Betreuung weißer Menschen und der von BIPoCs* zu erkennen.5 Im Klartext heißt das: Schwarze Patient*innen erhalten eine schlechtere Behandlung als weiße. Rassistische Stereotype und Vorurteile haben alle, die in der prädominant weißen, westlichen Welt sozialisiert wurden und selbst weiß gelesen werden. Im Kern werten Rassistische Ideologien bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer mutmaßlichen ethnischen Herkunft ab und nehmen dadurch eine Hierarchisierung einzelner Kollektive vor. So ist es nicht verwunderlich, dass Ärzt*innen, die besonders viele Vorurteile hegen, auch besonders anfällig sind, Schwarzen Menschen eine schlechtere Behandlung zukommen zu lassen.6 Natürlich sind diese Mediziner*innen keineswegs alles glühend überzeugte Rassist*innen. Die Mehrheit der Stereotype wird unbewusst gehegt. Es gibt meist überhaupt kein Problembewusstsein. Habe ich in der Vergangenheit Ärzt*innen auf den rassistischen Ursprung des Begriffs „Morbus mediterraneus“ hingewiesen, wurde jeder Zusammenhang zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sofort entschieden zurückgewiesen. Es sei nun mal aus der klinischen Erfahrung ableitbar, dass Migrant*innen zu oben beschriebenem Verhalten neigten, wodurch die Verwendung dieses Ausdrucks in den Augen der meisten gerechtfertigt war. Das ist natürlich ein moralischer Taschenspieler*innentrick: Man nehme einen materiellen Tatbestand („Morbus mediterraneus begründet sich auf rassistischen Vorurteilen“), weise diesen empört zurück („Ich bin doch kein*e Rassist*in! Das beruht auf jahrelangen Beobachtungen!“) und bringe das Anliegen auf diese Weise diskursiv zum Verschwinden. Wer es nun nicht entschieden auf eine hoch emotionalisierte und von persönlichen (Schein-)Angriffen geprägte Auseinandersetzung ankommen lassen will, wird spätestens jetzt das Thema wechseln. Das Grundproblem wird derweil überhaupt nicht behandelt. Selbst wenn das subjektive Schmerzempfinden zwischen ethnischen Gruppen differieren würde, dürfte diese Tatsache nicht zum Anlass genommen werden, unterschiedlichen Personengruppen eine unterschiedliche Behandlung oder Fürsorge zukommen zu lassen. Dieser gedankliche Schritt wird aber im klinischen Alltag nicht gegangen. Das klare Hierarchie- und Abhängigkeitsgefälle zwischen Patient*in und Behandler*in, aber auch die strenge Rangordnung innerhalb des ärztlichen Teams, sorgen ferner dafür, dass rassistische Stereotype ungehindert weiter zementiert und hofiert werden. So bleibt abzuwarten, wann eine längst überfällige Debatte zu diesem Thema endlich möglich sein wird. 

„Dass alle immer weiß sind, macht einen Alien-artig.“

– Amalie Toyou, BLM-Aktivist*in

Das Gesundheitssystem in Deutschland ist eines von weißen für weiße. Schwarze Menschen oder BIPoCs* kommen dort nicht vor, sie müssen sich mit dem weißen Standard zufriedengeben. Wer als Patient*in auf Station kein Deutsch spricht, hat entweder Glück und es findet sich ein*e Angestellte*r, der*die übersetzen kann, oder es findet eben keine adäquate Aufklärung statt. Eigens eingestellte Dolmetscher*innen gibt es fast nie, oft ist nicht einmal das Informationsmaterial zu einem Eingriff auf einer anderen Sprache verfügbar. Schon im Studium wird einem der weiße Körper als Goldstandard verkauft. Das führt zu erheblichen gesundheitlichen Benachteiligungen Schwarzer Menschen. Hautkrebs beispielsweise wird bei BIPoCs* häufiger erst in einem späteren Stadium mit entsprechend schlechterer Prognose als bei weißen Menschen erkannt, weil im Studium nie gelehrt wird, wie sich ein Melanom auf Schwarzer Haut präsentiert. Die 5-Jahres-Überlebensrate für Maligne Melanome liegen bei Schwarzen bei nur 65 % – im Vergleich zu 91 % bei weißen Menschen.7 Wir versorgen Patient*innen mit Pflastern in „Hautfarbe“ und meinen damit doch nur weiße Menschen –  oder wer hat schon mal im Klinikalltag ein dunkles Pflaster gesehen? Beta-Blocker gehören sicherlich zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln überhaupt. Doch bei BIPoCs* können sie unter Umständen zu einer paradoxen Wirkung führen – eine Tatsache, die wenig bekannt und gegebenenfalls sehr gefährlich für Patient*innen ist.8Nicht nur in der Klinik, sondern bereits in der Forschung ist der weiße, männliche Mensch der Standardpatient. Erkenntnisse werden einfach auf alle anderen Bevölkerungsgruppen extrapoliert. Solange sich das nicht ändert, nehmen wir billigend in Kauf, dass Menschen, die diesem Standard nicht entsprechen, Präparate einnehmen müssen, die gegebenenfalls für sie gefährlich werden können. Überraschenderweise ist dieses Phänomen keines, das sich exklusiv auf den Globalen Norden erstreckt. Nicht einmal in Afrika selbst gibt es medizinische Lehrbücher mit Abbildungen von Schwarzen Menschen – der weiße Mann herrscht auch hier vor, Kolonialismus sei Dank. 

Doch mittlerweile ist Bewegung in die Sache gekommen. Der britische Medizinstudent Malone Mukwende hat ein Lehrbuch veröffentlicht, das Hautveränderungen auf Schwarzer Haut zeigt. Unter dem Titel “Mind the Gap: A Handbook of Clinical Signs in Black and Brown Skin” ist es als pdf-Dokument kostenlos erhältlich. Gleichzeitig wird es ständig aktualisiert – man kann sogar selbst Bilder einreichen – mit dem Ziel, eine globale Datenbank zu erschaffen, um die Gesundheitsversorgung Schwarzer Menschen zu verbessern und die Augen der Mediziner*innen für Pathologien auf Schwarzer Haut zu schulen. Die internationale Studierendengruppe „White Coats for Black Lives“ macht regelmäßig auf Rassismus in der Medizin aufmerksam und stellt Forderungen auf, wie dieses Problem überwunden werden kann.9

Wichtig ist, dass die Weichen für ein diverseres und inklusiveres Menschenbild bereits im Studium selbst gestellt werden. Rassismus beinhaltet nicht nur die Abwertung einer Personengruppe, sondern auch die Aufwertung einer anderen. Den meisten weißen Medizinstudierenden wird es nicht bewusst sein, aber sie hatten nie das Problem, während ihrer Ausbildung Ärzt*innen derselben Hautfarbe, mit ähnlich klingenden Namen und vergleichbaren Lebenshintergründen anzutreffen. Die Identifikation gelingt leicht. Aber wie muss es sich für Schwarze Menschen anfühlen, sich in einem vorwiegend weißen System behaupten zu müssen? Wie viele Schwarze Kommiliton*innen kennt ihr? Wie viele Schwarze Ärzt*innen haben Vorlesungen gehalten? Die Repräsentation von BIPoCs* im medizinischen Kosmos muss ausgebaut werden. Zur Umsetzung dieses Ziels braucht es spezifische Förderprogramme. Es sollten mindestens so viele Schwarze Menschen Medizin studieren, dass sich ihr Anteil mit dem an der Gesamtbevölkerung deckt. Damit ist es jedoch nicht getan. 

“Kurz gesagt: Du bist rassistisch sozialisiert worden. So, wie viele Generationen vor Dir, seit über dreihundert Jahren.”            

― Tupoka Ogette, exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen

Der erste Schritt, den weiße Menschen bei der Debatte um Rassismus gehen müssen, beinhaltet die Anerkennung, dass wir alle mit rassistischen Stereotypen erzogen und sozialisiert wurden und diese mal stärker, mal schwächer im Alltag reproduzieren. Wir leben in einem rassistischen System, das seit Jahrhunderten in wertes und unwertes (oder zumindest: minderwertes) Leben unterscheidet – wie sonst wären die Tuskegee-Syphilis-Studie, Kolonialverbrechen oder Straftaten im Namen der Eugenik im Nationalsozialismus sonst möglich gewesen? Trotz politischer Systemwechsel blieb der Rassismus erhalten – glücklicherweise in zumindest quantitativ abgeschwächter Form, aber dennoch werden Betroffene weiterhin schlechter behandelt. Als weiße Person muss man sich der eigenen Hegemonialstellung in westlichen Gesellschaften sowie den damit verbundenen Privilegien bewusst sein. Gelingt diese Selbstreflexion, ist es möglich, aktiv als „White Ally“ im Kampf gegen Rassismus tätig zu werden. Dieser Prozess ist fortwährend und niemals abgeschlossen. Es wird keinen Punkt geben, an dem man „frei“ von rassistischem Gedankengut ist. Wichtig ist, zuzuhören, sich weiterzubilden und offen zu bleiben, Neues zu lernen. 

Laut einer Studie hegen ungefähr 50 % der weißen Medizinstudierenden fälschliche Annahmen zu biologischen Unterschieden zwischen weißen und BIPoCs*. Beispielsweise denken viele, Schwarze Haut sei dicker oder das Blut von Schwarzen Personen würde schneller gerinnen. Doch damit nicht genug: Wurden diese biologistischen Fehleinschätzungen gemacht, hatte das messbare Folgen. Studierende, die besonders viele Unterschiede zwischen weißen und Schwarzen Menschen zu erkennen glaubten, schätzten von Schwarzen Patient*innen geäußerte Schmerzen als signifikant geringer ein als die weißer Patient*innen. Auch die abgegebenen Therapieempfehlungen für BIPoCs* waren unpräziser.10 Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, nachhaltige Aufklärungsarbeit zu leisten. Das umfasst die Aufnahme von Rassismuskritik in die universitären Curricula. Es muss eine längst überfällige Debatte über die Geschichte von Rassismus in der Medizin geführt werden. Kolonialverbrechen (deren Folgen bis in die Gegenwart reichen) müssen aufgearbeitet und öffentlich gemacht werden. Die Rolle von Rassismus bei der ungleichen Gesundheitsversorgung muss viel stärker in den Fokus gerückt werden. Nur, wer öffentlich anerkennt, dass struktureller Rassismus vor der öffentlichen Daseinsfürsorge nicht Halt macht, wird in der Lage sein, langfristige Veränderungen herbeizuführen. Die Landesärztekammer Hessen hat dem gesteigerten Problembewusstsein Rechnung getragen und in diesem Jahr den ersten „Rassismus-Beauftragten“ eingestellt. An diese Person können sich Patient*innen wenden, wenn sie im Rahmen einer Behandlung Rassismus erlebten. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, der zeigt, dass das Zeitalter der Ärzt*innen als „Halbgött*innen in Weiß“ vorbei ist und sich Patient*innen im Falle einer Ungleichbehandlung selbstermächtigen können und sollen. Denn das immense Machtgefälle zwischen Behandler*in und Patient*in prädisponiert den medizinischen Bereich geradezu dafür, Rassismus und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit widerstandslos zu zementieren. Die Versorgungsknappheit und der Mangel an medizinischer Infrastruktur macht eine echte Wahlfreiheit nahezu unmöglich, in der Regel müssen Patient*innen froh sein, überhaupt irgendwo einen Termin zu erhalten. Der Schritt durch die Tür einer Klinik oder Praxis bedeutet für Patient*innen immer auch, ein Stückchen Würde und Autonomie abzugeben. Durch den enormen Wissensvorsprung der Ärzt*innen trauen sich die wenigsten, die verordnete Therapie oder die erfahrene Versorgung in Zweifel zu ziehen. Eine öffentlich geführte Debatte über Rassismus in der Medizin könnte dazu führen, dass Patient*innen künftig eher den Mut finden, ärztliches Fehlverhalten zu melden. Dennoch soll dieser Artikel nicht damit enden, die Verantwortung für eine Veränderung des Systems in die Hände der Schwächsten, in dem Falle in die der von Rassismus betroffenen Menschen, zu legen. Die Bekämpfung von Rassismus ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur durch kontinuierliche Aufklärungs-, Präventions- und Empowermentarbeit gemeistert werden kann. Wer also für eine gerechtere Welt kämpfen möchte, kann damit sofort anfangen – und zwar bei sich selbst.

Anmerkung: Das Wort „Schwarz“ wird im Artikel großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle Eigenschaft, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. Um den Konstruktionscharakter der Kategorie »weiß« zu verdeutlichen, wird diese  – im Gegensatz zur politischen Selbstbezeichnung  »Schwarz«  –  kleingeschrieben.“ (Quelle: Amnesty) 

1.         Cobbinah SS, Lewis J. Racism & Health: A public health perspective on racial discrimination. Journal of evaluation in clinical practice. 2018;24(5):995-998. doi:10.1111/jep.12894

2.         Landrine H, Corral I, Lee JGL, Efird JT, Hall MB, Bess JJ. Residential Segregation and Racial Cancer Disparities: A Systematic Review. Journal of Racial and Ethnic Health Disparities. 2017;4(6):1195-1205. doi:10.1007/s40615-016-0326-9

3.         Rabenberg M. Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Migration und Gesundheit. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. 2013;54. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/arthrose.pdf?__blob=publicationFile

4.         Phelan JC, Link BG. Is Racism a Fundamental Cause of Inequalities in Health? Annual Review of Sociology. 2015;41(1):311-330. doi:10.1146/annurev-soc-073014-112305

5.         Nelson A. Unequal treatment: confronting racial and ethnic disparities in health care. Journal of the National Medical Association. 2002;94(8):666-668.

6.         van Ryn M, Burgess DJ, Dovidio JF, et al. THE IMPACT OF RACISM ON CLINICIAN COGNITION, BEHAVIOR, AND CLINICAL DECISION MAKING. Du Bois review : social science research on race. 2011;8(1):199-218. doi:10.1017/S1742058X11000191

7.         Bradford PT. Skin cancer in skin of color. Dermatology nursing. 2009;21(4):170-177, 206; quiz 178.

8.         Brewster LM, Seedat YK. Why do hypertensive patients of African ancestry respond better to calcium blockers  and diuretics than to ACE inhibitors and β-adrenergic blockers? A systematic review. BMC medicine. 2013;11:141. doi:10.1186/1741-7015-11-141

9.         Charles D, Himmelstein K, Keenan W, Barcelo N. White Coats for Black Lives: Medical Students Responding to Racism and Police Brutality. Journal of urban health : bulletin of the New York Academy of Medicine. 2015;92(6):1007-1010. doi:10.1007/s11524-015-9993-9

10.        Hoffman KM, Trawalter S, Axt JR, Oliver MN. Racial bias in pain assessment and treatment recommendations, and false beliefs about biological differences between blacks and whites. Proceedings of the National Academy of Sciences. 2016;113(16):4296 LP – 4301. doi:10.1073/pnas.1516047113