Big Data in Parliament

Eine quantitative Analyse des Sitzungsverhaltens unseres amtierenden Studierendenparlaments. Ein Aufruf an alle Stellvertreter*innen

Auf allen Kanälen wird zurzeit für die nächste StuPa-Wahl und um Kandidat*innen geworben. Grund genug, sich noch einmal mit unserem amtierenden Studierendenparlament auseinanderzusetzen.

Alle, die sich fragen, was dieses StuPa eigentlich sei: das Studierendenparlament, kurz StuPa, ist nach der studentischen Vollversammlung das höchste Organ der studentischen Selbstverwaltung. Es kann zu allen Belangen der Studierendenschaft Beschlüsse fassen, regelt den Haushalt und wählt den AStA. Es ist in seiner Funktion mit dem Bundestag vergleichbar. Alle, die mehr wissen wollen, klicken bitte hier.

Die Wahlwerbung erinnert daran, dass die aktuelle Legislatur zu zwei Dritteln abgelaufen ist. Damit ist es Zeit für ein Analyse. Während die Einhaltung von Wahlversprechen nur schwer erfassbar ist und die deren Erfüllung in vielen Fällen durch die Pandemie behindert wurde, braucht es weitere Kriterien..

Mit der Annahme ihrer Wahl verpflichteten sich die Gewählten zur regelmäßigen Teilnahme an den Sitzungen. Die physische Anwesenheit – bzw. den digital abgehaltenen Sitzungen die zeitgerechte Einwahl – wird protokolliert und eignet sich sehr gut für eine quantitative Betrachtung.

Wer anwesend ist, kann mitdenken und -diskutieren. Dass das eine nicht immer mit dem anderen einhergeht, fällt unter eine der zahlreichen Einschränkungen dieser mit einem Augenzwinkern zu lesenden Betrachtung.

Here we go…

Das Parlament setzt sich aus 21 Hauptvertreter*innen und einer beliebigen Anzahl an Stellvertreter*innen zusammen. Unserer aktuellen Wahlordnung zufolge werden nämlich all‘ diejenigen, die sich aufstellen lassen und mehr als eine Stimme auf sich vereinigen können, zu Stellvertreter*innen und damit zu ordentlichen Mitgliedern des Studierendenparlaments. Eine Analyse der Zusammensetzung des amtierenden StuPas findet ihr hier.

Zu Beginn der laufenden Legislatur war das StuPa 41 Abgeordnete stark, von denen 33 (80,49%) an der konstituierenden Sitzung teilnahmen. Positiv viel auf, dass alle 21 Hauptvertreter*innen anwesend waren. Von den 20 Stellvertreter*innen waren es zwölf.

Schaubild 1: Anwesenheit bei der konstituierenden Sitzung in Prozent. – Alle Doktorand*innen und diejenigen, die bereits Biometrie hatten, wissen: absolute Zahlen zählen! Da aber die Zahl der Haupt- und Stellvertreten*innen differiert, musste ich in Prozent umrechnen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Deshalb bitte nicht verwirren lassen, die Diagramme sind z.T. in Prozent gehalten. Im Text bemühe ich mich absoluten Zahlen zu verwenden und die unterschiedlichen Angaben zueinander ins Verhältnis zu setzen.

In den folgenden Sitzungen fiel die Anwesenheit insgesamt aber auch in der Gruppe der Hauptvertreter*innen deutlich geringer aus:

Schaubild 2: Anwesenheit bei den ersten sechs Sitzungen der Legislatur in Prozent (vgl. Anmerkung zu Schaubild 1)

Die ersten sechs Sitzungen der Legislatur wurde von 78% von den Hauptvertreter*innen besucht und es nahmen 43,5% der Stellvertreter*innen daran teil. Ich halte beides für gute Quoten. Allerdings geben diese Zahlen keinen Aufschluss darüber, ob immer dieselben Personen gefehlt haben, oder ob sich die Abwesenheit gleichmäßig auf die Abgeordneten verteilt.

Schaubild 3: Anzahl der Sitzungen, an denen Abgeordnete teilgenommen haben (in absoluten Zahlen). – Ablesebeispiel: 8 Hauptvertreter*innen haben jeweils an 5 Sitzungen teilgenommen.

Aus Schaubild 3 folgt, dass unter den Hauptvertreter*innen jeweils drei (14%) Abgeordnete an drei bzw. vier der bisher insgesamt sechs Sitzungen teilgenommen haben. Denen gegenüber stehen sieben (33%) bzw. acht (38%) Abgeordnete, die bei allen bzw. mit einer Ausnahme bei allen Sitzungen präsent waren.

Von den 20 Stellvertreter*innen waren bis auf vier Ausnahmen niemand bei mehr als fünf Sitzungen. Insgesamt haben von den Hauptvertreter*innen mehr als 70% an allen bzw. mit einer Ausnahme allen Sitzungen teilgenommen. Bei den Stellvertreter*innen sind das nur 20%. Umgekehrt haben von den Stellvertreter*innen 45% weniger als drei Sitzungen besucht.

Rolle der Stellvertreter*innen – Stellvertreter*innen machten 55% der stimmberechtigten Sitzungsbeteiligung aus

Bedeutet das, die Stellvertreter*innen sind weniger zuverlässig als die Hauptvertreter*innen? – Meiner Einschätzung nach bedeutet es das nicht! Viele Stellvertreter*innen scheinen sich, wenn sie es bei der Wahl nicht unter die 21 Stimmenmeisten geschafft haben, als Verlierer*in der Wahl zu verstehen. In der Annahme, ohnehin nicht mit(be)stimmen zu dürfen, scheinen sie dann keinen gesteigerten Sinn darin zu sehen, an den Sitzungen teilzunehmen.

Dabei finden die Stimmen der Stellvertreter*innen im Parlament gleichermaßen Gehör wie die Hauptvertreter*innen. Die Geschäftsordnung (§4 Abs. 3) sieht vor, dass wenn ein Platz im StuPa unbesetzt bleibt – aus welchem Grund auch immer – die anwesenden Stellvertreter*innen in der Reihenfolge der Stimmen, die sie bei der Wahl erhalten haben, nachrücken. In der aktuellen Legislatur vertraten zehn Stellvertreter*innen insgesamt 21 Mal Hauptvertreter*innen1. Damit machten sie 55,6% der stimmberechtigten Sitzungsbeteiligung aus.

1Nicht gezählt sind die Vertretungsakte in den Fällen, in denen ein*e Hauptvertreter*in die Sitzung vorzeitig verlassen hat.

Wahrnehmung der Stellvertreter*innen und Kommunikation ihrer Rolle

Die bisherige interne Kommunikation des StuPa (-Präsidiums) kann den Eindruck, als Stellvertreter*in nicht gebraucht zu werden, verstärken.

Schaubild 4: Bildschirmfoto einer Mail an die Abgeordneten. Der vorgeschlagene Modus, der sicher stellen soll, dass immer 21 Abgeordnete bei den Sitzungen anwesend sind, lässt auch eine andere Interpretation zu: Werd ich als Stellvertreter*in nicht von einer*einem Hauptvertreter*in gefragt, ob ich an ihrer*seiner statt teilnehme, brauche ich nicht zur Sitzung erscheinen.
Schaubild 5: Bildschirmfoto aus der Whatsapp-Gruppe. Stimmberechtigt sind diejenigen, „die am weitesten oben stehen“ und anwesend sind!

Mehrerlei ist fest zuhalten:

  • Es braucht eine geordnetes Verfahren zur Organisation von Stellvertretung. Die Whatsapp-Gruppe ist ein Versuch, ein solches zu etablieren.
  • Die gewählten Formulierungen für das in Schaubild 4 vorgeschlagene Verfahren schließt Stellvertreter*innen nicht von der Sitzungsteilnahme aus. Es ermutigt sie aber auch nicht dazu.
  • Betrachtet man wie häufig Abgeordnete abgemeldet/nicht abgemeldet abwesend waren – siehe unten –, fällt auf, dass das vorgeschlagene Verfahren nicht (konsequent) umgesetzt wurde.

Ich fände es hilfreich, wenn die Stellvertreter*innen immer explizit mit eingeladen und zur Aktivität bspw. in den Arbeitsgemeinschaften des StuPas (ärztliches Fehlermanagement, Werbefreier Campus, Stress im Studium/Prävention, gendergerechte Medizin) angehalten werden. Langfristig wünsche ich mir eine Aufweichung der hierarchisierenden Unterscheidung in Haupt- und Stellvertreter*innen und das stattdessen.

Abwesenheit von Abgeordneten

Schaubild 6: Ausscheiden, entschuldigte und unentschuldigte Abwesenheit von Abgeordneten getrennt nach Haupt- und Stellvertreter*innen in Prozent (vgl. auch Anmerkung zu Schaubild 1)

Die Abwesenheit der Abgeordneten ergibt sich indirekt aus Schaubild 3. Interessant ist wie das Verhältnis von entschuldigter und unentschuldigter Abwesenheit ist. In den allermeisten Fällen haben sich die Abgeordneten beim Präsidium abgemeldet und sind in weniger als einem Fünftel der Fälle der Sitzung nicht abgemeldet ferngeblieben.

Für diese Betrachtung habe ich stellvertretende Stupist*innen bei nicht-Anwesenheit grundsätzlich als entschuldigt gezählt, es sei denn, sie hätten den Platz einer*eines fehlende*n Hauptvertreter*in einnehmen müssen1. Und letzteres, kam sehr häufig vor (s.o.). Deshalb hier noch einmal der Aufruf an alle Stellvertreter*innen: versteht es nicht als Niederlage, nicht zum*zur Hauptvertreter*in gewählt worden zu sein und nutzt die Chance als Stellvertreter*in, eure Anliegen einzubringen. Mit Ausnahme der konstituierenden Sitzung sind in jeder Sitzung dieser Legislatur Stellvertreter*innen nachgerückt und haben mit abstimmen können! (Vgl. auch Schaubild 6).

Für die sechste Sitzung liegt noch kein Protokoll vor, mit dem die Anwesenheit bzw. die Nichtanwesenheit geklärt und die Frage abgeglichen werden kann, ob StuPist*innen entschuldigt oder unentschuldigt gefehlt haben. Deshalb wurden nach dem Motto „in dubio pro reo“ alle nicht-Anwesenden als „entschuldigt“ gezählt.

Ausscheiden von Abgeordneten

In dieser Legislatur sind zwei Hauptvertreter*innen (9,1%) und zwei Stellvertreter (5,6%) ausgeschieden, wobei niemand sein Stimmrecht verlor, weil er*sie seinem*ihrem Mandat nicht nachgekommen ist und zu oft unentschuldigt gefehlt hat2.

Zwei Mandate wurde aus studiengangs-organisatorischen Gründen zurückgegeben. Außerdem haben Carlos und Xaver mit ihrer Wahl zum AStA-Referenten für „Hopo außen“ bzw. „Hopo innen“ ihre Mandate als Parlamentarier ebenfalls zurückgegeben.

1Die GO gibt keine differenzierte Auskunft darüber, in wie weit Stellvertreter*innen sich abmelden müssen. Meiner Auslegung nach sollten sie sich als ordentliche Mitglieder ebenfalls abmelden (müssen) bzw. gebietet das die Höflichkeit.

2Vgl. §10 der Satzung der Studierendenschaft

Bestbesuchte Sitzung

Schaubild 7: Übersicht über die Anwesenheit bei den Sitzungen 1.-6. in absoluten Zahlen. Die schwarze Linie trennt die 21 Stimmberechtigten (links davon) von den ggf. darüber hinaus Anwesenden. Für die 6. Sitzung liegen aufgrund des bisher fehlenden Protokolls keine Daten über die Anwesenheit von Gästen vor.

Die bisher am besten besuchte Sitzung war die 4. am 08. Oktober 2020 in der die Zwischenberichte aus dem AStA präsentiert wurden und die Neuwahl der Referate für „Hopo außen“, „Hopo innen“ „Kultur“ und „Presse Print“ anstanden, wobei letztgenanntes Referat erst in der 5. Sitzung neu gewählt wurde. Zählt man die anwesenden Gäste mit, war die 5. Sitzung am 26. November 2020 die am besten besuchte, bei der auch der studentische Haushalt für die kommende Legislatur diskutiert und beschlossen wurde.

Auffällig ist die Zahl der vielen Gäste – und gleichzeitig die verhältnismäßig geringe Beteiligung von Abgeordneten – bei der 3. Sitzung am 18. Juni 2020. In dieser Sitzung wurde die Löschung des Artikels „Die zwei Gesichter der Hilfsorganisation Islamic Relief“ vom CURAREdirekt Blog diskutiert1.

Fazit

Keine der hier präsentierten Metriken lässt einen Rückschluss auf die Arbeit des StuPa zu. Hochschulpolitik gehört zu den vielen Dingen, die sich nicht korrekt abbilden lassen, sondern die man (er)leben muss und an denen sich möglichst Viele beteiligen müssen, damit sie gut werden. Und genau dazu möchte ich aufrufen und einladen. Insbesondere diejenigen, die bereits als „Stellvertreter*innen“ ordentliche Mitglieder des StuPas sind, aber selbstverständlich auch alle anderen!

Hochschulpolitik lohnt sich. Warum, könnt ihr in meinem Plädoyer „Warum es sich lohnt, noch mehr Zeit an der MHH zu verbringen“ lesen.

Zum Wert von Metriken empfehle ich das kurze Essay „Facebooks schlimmstes Gift“ der Datenschutzgruppe der Roten Hilfe Heidelbergs.

1Stellungnahmen und Repliken zu den Stellungnahmen zu den Löschungen https://antidoton.de/replik-zur-asta-stellungnahme; https://www.mhh-asta.de/2020/11/stellungnahmen-bzgl-der-loeschung-eines-artikels-im-curare-direkt-blog/

Replik zur AStA-Stellungnahme vom 24.08.2020

von Sören

Der AStA der MHH hat entgegen des StuPa-Beschlussvorschlags vom 18.06. und unter meinem ausdrücklichen Protest den Artikel zur Spendenpraxis der Islamischen Gemeinschaft der MHH (MHH-IG) dauerhaft von der Website gelöscht. Zuvor waren dort ausgewählte Artikel der Curare-Redaktion im Format Curare Direct veröffentlicht worden. Um diesen Schritt zu begründen, legte der AStA nun eine seit zwei Monaten versprochene Erklärung vor. Diese ist bis dato [10.09.2020] lediglich per Mail an das StuPa-Präsidium, Teile der Curare-Redaktion und die MHH-IG gesendet, aber nicht veröffentlicht worden. Adressiert sind jedoch alle ‚Kommiliton*innen‘. Der AStA hat über diese Stellungnahme mit 12 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen abgestimmt, sie wurde vom Vorsitzenden Lennart Simon unterzeichnet und ist von ihm verfasst worden. Unter diesem Text findet sich eine Kopie des Schreibens.

Im Folgenden möchte ich nicht nur zeigen, weshalb ich die angegebenen Gründe für unzureichend halte, sondern auch, dass es sich um einen dürftigen Versuch handelt, meine journalistische Arbeit und meine Person zu diskreditieren. Auf die in dem Schreiben stichpunktartig dargelegten Gründe gehe ich einzeln ein. Es wird in der Stellungnahme einleitend darauf hingewiesen, dass die Curare eine Zeitschrift des AStAs und damit nicht autark sei. Sollte es sich um eine Werbezeitschrift des AStAs handeln, würde ich nicht so stark mit der Entscheidung zur Löschung des Artikels ins Gericht gehen. Doch man erklärt: 

Mein Versprechen und das des AStAs ist, dass wir auch trotz des eben genannten Veto-Rechts, keine inhaltlich korrekten Artikel, auch wenn diese uns persönlich kritisieren würden, löschen lassen werden. In dem oben beschriebenen Fall gibt es jedoch einen entscheidenden Unterschied.

Damit ist also auch die interne Entscheidung des ‚Verlegers‘ AStA direkt an die darauffolgenden ‚Argumente‘ geknüpft. Sehen wir sie uns also einmal an.

Der Artikel ist inhaltlich korrekt recherchiert und es sind keine rechtlich relevanten Falschaussagen getroffen worden. Dennoch ist die im Artikel verwendete Sprache populistisch gewählt. So wird zum Beispiel eine Aussage getroffen, wie sich liberale Muslime zu verhalten hätten. Da der Autor weder Muslim ist, noch im engeren Umkreis Muslime nach diesen Aussagen gefragt hat, scheint dies für uns als AStA kritisch.

Die angesprochene Textstelle in meinem Artikel wird nicht zitiert, aber es kann nur eine gemeint sein, ich zitiere mich also selbst:

‚Dass insbesondere die falsche Rede von Toleranz lediglich das Tolerieren der eigenen religiös-autoritären Meinungen durch die Gesellschaft meint, weiß jede*r liberale und aufgeklärte Muslim*a, der*die einmal den Tugendbelehrungen oder dem sozialen Druck seiner*ihrer vermeintlichen Glaubensgenossen ausgesetzt war.‘

Es handelt sich um einen Aussagesatz ohne normativen oder auffordernden Charakter gegenüber liberalen Muslimen. Ich finde es befremdlich, mir auf Grundlage dieses Satzes zu unterstellen, liberalen Muslimen Vorschriften machen zu wollen. Wohlgemerkt sind die extremistischen Akteure, die beschrieben werden, die Vereine Islamic Relief (IR), die Deutsche muslimische Gemeinschaft und die Muslimische Jugend in Deutschland. Im betroffenen Absatz, sowie im Absatz davor und danach ist nicht einmal von der MHH-IG die Rede.

Nun zum letzten Satz: Ich frage mich, mit welcher Methodik der AStA ermittelt hat, mit wem ich gesprochen habe, wer davon muslimischen Glaubens ist und worum es in den Gesprächen ging. Jeder Leserin der Stellungnahme muss doch klar sein, dass es sich bei dieser Feststellung nur um eine einfache Mutmaßung handeln kann. Diese ist falsch, denn ich habe selbstverständlich mit Muslimen darüber gesprochen. Sie dient dem durchschaubaren Zweck, mich als gemeinen Demagogen darzustellen. Als ob ich mir im stillen Kämmerlein böse Anschuldigungen gegen bestimmte Gruppen ausdenke, um sie dann fälschlicherweise als Recherche zu veröffentlichen, anstatt tatsächlich mit Menschen ins Gespräch zu kommen und mit offenen Augen und Ohren durch das Leben zu gehen. Herbeifantasierte Anschuldigungen zur Unterstützung der eigenen Agenda gibt es hier vielmehr seitens des AStAs gegenüber meiner Person. Ich bin verwundert, dass man angesichts der ernsthaften Angelegenheit auf solche Mittel zurückgreift, insbesondere weil man doch mir unsaubere Arbeit vorwirft.

Die verwendete Sprache enthält Schlagwörter, wie z.B. ‚islamfaschistisch‘, welche in Texten des rechten Spektrums verwendet werden und somit bestimmte Sichtweisen implizieren, die der AStA der MHH nicht vertritt. 

Ob der Begriff ‚Islamfaschismus‘ einen wichtigen Gehalt hat, indem er politische Praktiken islamistischer Terrorbewegungen mit denen der europäischen faschistischen Bewegungen in Zusammenhang setzt, ist eine spannende Frage. Diese Debatte wird von Publizisten geführt, die dabei diesen Begriff regelmäßig verwenden, aber keineswegs zum rechten Spektrum zählen, sondern als Religionskritiker bekannt sind, z.B. Hamed Abdel-Samad, Ayaan Hirsi Ali, Stephan Grigat. Ob Andere, die diesen Begriff nutzen, u.a. Daniel Cohn-Bendit, Necla Kelek, Leon de Winter oder Josef Joffe zum rechten Spektrum gehören, kann jeder Leser selbst ermessen.

Kurzum: Eine einfache Recherche ergibt zahllose Verweise auf eine Verwendung durch Personen des öffentlichen Lebens, bei denen völlig außer Frage steht, dem rechten Spektrum anzugehören. Ohne Quellenangabe ist es für mich unmöglich, eine einzige Verwendung durch Rechte aufzufinden. Es scheint mir, als habe man hier einfach den vorgebrachten Einwand einer Person aus der AStA-Sitzung vom 23.06. aufgegriffen und nicht weiter geprüft. Ich antwortete damals aufrichtig, dass mir keine Verwendung durch Rechte bekannt sei und ich das gern nachsehe. Im Protokoll der Sitzung wurde daraus:

Sören räumt ein, dass er nicht wusste, inwiefern dieses Wort vorbelastet ist und somit auch nicht wusste, welchen Effekt dieses generieren würde. (Protokoll der AStA Sitzung vom 23.06.)

Man implizierte also schon damals ohne weitere Nachprüfung, dass eine vermeintliche Vorbelastung des Begriffes erwiesene Sache sei. Vermutlich, weil es hilft, das Bild eines undifferenzierten Hassartikels zu stützen, der rechtes Gedankengut verbreiten möchte.

Auch hier möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Begriff erläuternd für die Politik der Terrororganisation Hamas verwendet worden ist, nicht im Zusammenhang mit der MHH-IG, nicht einmal IR. 

Nicht weil es nötig ist, sondern weil es hier insinuiert wird, weise ich darauf hin, dass auch ich weder rechte Sichtweisen vertrete, noch im Artikel implizit zu transportieren suche.

Da über ‚Schlagwörter‘, und damit Plural geschrieben wird und ‚Islamfaschismus‘ lediglich ein einziges Beispiel darstellt, erwarte ich noch die Nennung der weiteren, vermeintlich problematischen Begriffe, die eine Zensur rechtfertigen sollen.

Der Autor war in keinem der genannten Diskussionen und Gesprächen bereit die Sprache zu ändern. Die IG der MHH hat mehrfach betont, dass ein Text gegen die Spendenorganisation an die gespendet wurde, in keiner Weise kritisch gesehen wird. Lediglich das, was ‚zwischen den Zeilen steht‘, impliziere einen Zusammenhang der IG MHH und Terroristen, gegen den die IG und auch der AStA vehement widersprechen möchten. 

Ich bin bereit, Fehler einzugestehen und Korrekturen vorzunehmen, sofern sie begründet sind. Dies erklärte ich bereits am 18.06. in der StuPa-Sitzung. Um diese Möglichkeit zu bieten und Einwände ernst zu nehmen, bin ich bereitwillig allen Einladungen zu Sitzungen und Gesprächen gefolgt. Leider hat mich bisher kein Einwand erreicht, der eine Änderung des Artikels mit Richtigstellung rechtfertigen würde. Eine Kostprobe der Qualität dieser Einwände finden wir in diesem Schreiben. 

Ich wiederhole nun noch einmal, was ich auf den o.g. Einwand bereits im StuPa sagte: Mein Artikel besteht nicht nur aus einzelnen Schlagwörtern, sondern aus weiteren Worten, aus ganzen Sätzen und Absätzen, die die darin verwendeten Wörter in einen Sinnzusammenhang stellen. Der einzige Zusammenhang zwischen MHH-IG und Terroristen, den mein Artikel zeichnet, ist derjenige, dass die MHH-IG an eine Organisation Geld spendete (ich lasse sogar offen, ob wissentlich oder nicht), die es nicht schafft, sich gegenüber Extremisten und Terroristen abzugrenzen. Man kann nicht einfach zwei Schlagworte aus dem Text und damit aus dem Sinnzusammenhang reißen, um eine Löschung des Artikels zu rechtfertigen, weil der Inhalt nicht angenehm ist. Und dass er das nicht ist, wurde ja bereits vielfach eingestanden, denn man hat die Problematik mit IR (Islamic Relief) erkannt und will die Spenden dorthin beenden. Genauso verstehe ich auch, dass die MHH-IG um ihre Außenwirkung besorgt ist, gleichwohl hat sie mehrfach an IR gespendet, das können weder ich noch der AStA ändern. Mittels dieser Spende hat die MHH-IG selbst den Zusammenhang zwischen sich und IR hergestellt, den sie nun nicht in einem journalistischen Medium sehen will. Insofern ist die häufig wiederholte Forderung nach einem kritischen Artikel über IR unter Aussparung des Namens der MHH-IG eine dreiste Unverfrorenheit, die ich als Journalist entschieden zurückweise. Die Weglassung des MHH-IG Namens ist in diesem Zusammenhang eine Zensur, um sich in einem besseren Licht dastehen zu lassen und ich finde es sonderbar, wie der AStA sich dieser Forderung anschließen kann.

Dass man meine Weigerung, den MHH-IG Namen zu entfernen, in diesem ‚Argument‘ als fehlende Bereitschaft, ‚die Sprache zu ändern‘ bezeichnet, zeigt auch, wie sehr der Vorwurf der implizit rechten Sprache mit dem Wunsch verquickt ist, eine den eigenen Zielen zuträgliche und unkritische Berichterstattung zu erwirken.

Der Autor hat mit privater Werbung für seinen Artikel deutlich gemacht, dass für ihn die IG Islamisten unterstütze. Auch wenn der AStA der MHH keinen Einfluss auf private Inhalte hat, möchte er solchen Aussagen keine Plattform bieten. In dem Artikel selber ist keine solche Aussage getroffen und der Autor hat immer wieder betont, dass er mit der Werbung lediglich den Inhalt des Artikels korrekt zusammengefasst habe. 

Ich zitiere meine eigene Antwort auf diesen Vorwurf, der bereits in der Klagedrohung der MHH-IG gegenüber mir und der Redaktion gemacht wurde und dem ich mit folgender, nachvollziehbarer Darstellung meiner Prämissen antwortete: 

1) Die MHH-IG spendete an IR. (Beleg sind Plakate in der Uni, Einladungsmail, Spendenbescheinigung auf der Charity Week-Website) 

2) IR verfügt über signifikante personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft. (Drucksache Bundestag 19/9415) 

3) Die Muslimbruderschaft ist eine Islamistische Organisation. (z.B. BPB-Artikel zur Muslimbruderschaft)

Eine Geldspende ist für mich eine „Unterstützung“. Es ist falsch, dass diese Informationen nicht im Artikel zu finden sind. 

Die Islamische Gemeinschaft der MHH vertritt eine vulnerable Minderheit in unserer Gesellschaft. Auch ohne Zeitungsartikel, welche eine Verbindung von Muslimen zum Terrorismus implizieren, muss sich diese Minderheit in unserer Gesellschaft gegenüber solchen Anschuldigungen jeden Tag rechtfertigen. 

Eine Verbindung von Muslimen zum Terrorismus habe ich lediglich in der differenzierten Art gezogen, die in meinem Artikel zu finden ist und die ich bereits in meiner Antwort auf den dritten Punkt oben genannt habe. Zudem „impliziere“ ich diese Verbindung nicht, sondern beschreibe sie so explizit, wie es auf drei Seiten geht. Ich beschreibe, wohin Geld floss, welche Organisationen miteinander in Kontakt stehen und wie diese Interaktion aussieht.

Durch diese Explikation ist es das gute Gegenteil vom gemeinen, impliziten Vorwurf, Muslime seien Terroristen, den zu machen mir unterstellt wird.

Die Vulnerabilität einer gesellschaftlichen Gruppe sollte nicht als Mittel zur stereotypen Abwehr von Kritik angeführt werden. Vermutlich sind wir uns alle einig, dass so eine Minderheit leider viel zu häufig unberechtigte Beschuldigungen und implizite Ablehnung erleben muss. Insofern verstehe ich einen Teil der Sensibilität und Emotionalität, was Kritik betrifft. Um im medizinischen Sprachgebrauch zu bleiben: Wenn dies so sehr auf Kosten der Spezifität geht, dass man nur noch von „solchen Anschuldigungen“ redet und die Vulnerabilität als ein für sich stehendes Argument nutzt, dann ist jede legitime Kritik leider auch verunmöglicht. Und das Problem reicht dann weiter: Indem man mittels dieses gesellschaftspolitischen „Artenschutzes“ Kritik, Diskurs und Meinungsverschiedenheiten wegbügelt, nimmt man der entsprechenden Minderheit die Möglichkeit, sich zu Vorwürfen zu positionieren, für das eigene Agieren Verantwortung zu übernehmen und dadurch einmal ein mündiger Teil der Zivilgesellschaft zu werden, sich zu emanzipieren. Der AStA hat der MHH-IG am 23.6. genau diese Möglichkeit genommen, indem er den Vorschlag ablehnte, eine Gegenstellungnahme abzuwarten.

Die Thematik der Spendengenerierung an der MHH und der Überprüfung der Organisationen, an die gespendet wird, wurde angestoßen und wird in einem bereits vereinbarten Termin kritisch diskutiert. Es wurde bereits beschlossen, dass keine weiteren Spenden für diese Organisation gesammelt werden.

Dass ein Treffen zur Reflexion über Spendenorganisationen stattfinden soll, finde ich begrüßenswert. Mir ist allerdings völlig unklar, wieso die Verabredung zu einem Treffen zur Reflexion über Spendenorganisationen einen Grund für die Löschung meines Artikels darstellt. 

Die IG der MHH konnte zum Zeitpunkt der Spendenaktion nach Meinung des AStAs nicht wissen, dass die Organisation an die gespendet wurde ggf. personelle Überschneidungen mit islamistischen Gruppierungen hat, da diese (auch heute noch) von Programmen der Bundesregierung unterstützt wird.

Dass keine weiteren Spenden an IR auf dem Campus gesammelt werden, begrüße ich. Wieso ist die dazugehörige Recherche vom AStA nicht gewünscht?

Ich behaupte nicht, dass die MHH-IG um die Problematiken der Organisation IR wusste, bevor ich ihnen eine Mail schrieb. Allerdings war es für mich selbst nicht schwierig, nach dem Blick auf das Einladungsplakat der MHH-IG die Verbindungen zu recherchieren. Wieso konnte die MHH-IG dies nicht? Und welche Belege hat der AStA dafür, dass die MHH-IG es nicht wissen konnte? Dass die Bundesregierung etwas unterstützt, enthebt niemanden von der Verantwortung für das eigene Handeln. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass man sich als mündiger Bürger vor einer Spende gewissenhaft über den Empfänger informiert. Dass dies nun überhaupt geschehen ist, sehe ich als einen Verdienst meines Artikels an. Nicht einmal der vorherige Mailverkehr mit der damaligen 1. Vorsitzenden hat dazu beitragen können.

Darüber hinaus ist die Tatsache, ob die MHH-IG von den Verbindungen wusste oder nicht, als Argument für die Löschung meines Artikels völlig unerheblich.

Gegenargument der Redaktion: Der Artikel ist rechtlich unangreifbar und sollte aufgrund der Pressefreiheit unzensiert bleiben. Alle Quellen sind korrekt recherchiert. 

Ich habe den Diskurs um meinen Artikel sehr ernst genommen. Wie auch an dieser Stelle habe ich jedes Schreiben in diesem Streit in sorgfältiger Arbeit beantwortet, mich zu jeder Sitzung oder Veranstaltung zum Thema begeben und trotz des stellenweise starken Durcheinanders jederzeit bemüht, die Argumente der Gegenseite spezifisch zu beantworten. Insofern finde ich es äußerst befremdlich, dass meine Position und die der Redaktion hier zu einer so unpassenden Aussage zusammengedampft werden. Dies soll offensichtlich dazu dienen, uns beim Leser der Stellungnahme als empathielose Hardliner darzustellen, die auf jeden Einwand mit stereotyper Abwiegelung antworten.

Zu den Konklusionen, die der AStA in seiner Stellungnahme aus diesen „Argumenten“ zieht, wird hier auf dem Blog an anderer Stelle eingegangen.